Was Texten mit Design zu tun hat
Zu Beginn meiner Selbstständigkeit als Texterin habe ich mich viel mit der Frage auseinandergesetzt, was diesen Beruf eigentlich ausmacht. Warum als Texter tätig werden und nicht als Journalist oder Schriftsteller? Sind alle Texter auch (Online)Redakteure? Falls nicht, wo verläuft da die Grenzmarke? Sind Texter Künstler? Oder doch eher Kunsthandwerker? Ist Schreiben als Dienstleistung und zu kommerziellen Zwecken irgendwie weniger „wert“ als andere Arten des Schreibens? Wie viel journalistisches Gespür braucht es für einen guten Werbetext? Wie viel Raffinesse im Umgang mit Sprache, die den Autoren literarischer Werke womöglich in nichts nachsteht?
Ein Ausdruck, auf den ich bei meiner Identitätssuche als Texterin häufig gestoßen bin, war die Beschreibung von Textern als „Wortarbeiter“. Nicht wenige scheinen sich in diesem Begriff wiederzufinden. Als „Wortarbeiter“ machen Texter deutlich: Ich gehe keiner „brotlosen Kunst“ nach; ich bin seriös und solide. Ich arbeite. Das klingt nach Fleiß und Disziplin, aber gleichzeitig auch nicht besonders spannend. Schon gar nicht kreativ. Irgendwie sehr deutsch, habe ich mir beim ersten Lesen gedacht. Und irgendwie – so ganz unterschwellig instinktiv – mochte ich diesen Begriff nicht. Und mir wurde klar: Um das zu beschreiben, was mich für diesen Beruf begeistert, bedarf es einer ganz anderen Herangehensweise.
Warum ich kein Wortarbeiter sein will
„Wortarbeiter“ – dieser Ausdruck schien mir insgeheim allerhand zu verkörpern, was ich als freie Kreative eigentlich hinter mir lassen wollte: Arbeit um der Arbeit willen, starres Hintereinander-weg-Erledigen von Aufgaben, wenig Spielräume, Fließband. Brr! Da wollte ich auf keinen Fall landen.
Meine Arbeit sollte abwechslungsreich und sinnstiftend sein. Ich wollte frei und manchmal auch kreativ über meine Zeit verfügen können. Mit dem Tablet im Café sitzen und an Artikeln arbeiten, mir auf einem Spaziergang am Wasser Inspiration für einen aktuellen Auftrag holen und wenn es sich ergibt, als begeisterter Nachtmensch auch mal die Nacht durch am Rechner sitzen, um dafür nach getaner Arbeit mitten in der Woche einen freien Tag einlegen zu können. Im Gegenzug für diese Freiheiten schwor ich mir selbst, auch dem scheinbar unergiebigsten Auftragsthema seine spannenden und überraschenden Seiten abgewinnen zu wollen. Um dafür dann jedes Mal aufs Neue lesenswerte Worte zu finden. Und dabei niemals zu vergessen, dass Schreiben – denn was sonst tue ich als Texterin? – ein wunderbarer Beruf ist. Klingt das jetzt irgendwie nach „Wortarbeiter“?
Natürlich kann man das auch alles ganz anders interpretieren. Was wir aus Worten machen, hat nun mal immer auch etwas mit uns selbst und unserer Wahrnehmung der Dinge zu tun. Das weiß jeder Werbetexter genau … ;-)
Wem es also gelungen ist, für sich selbst diesem Begriff etwas rundweg Positives abzugewinnen, ist gerne aufgerufen, sich dazu in den Kommentaren zu äußern. Für mich und meine Arbeit als Texterin musste jedenfalls ein neues Wort her. Bloß welches?
Kreativität und (Sprach)Design
Mittlerweile habe ich, insbesondere durch die Zusammenarbeit in der Online Coworking Community DECKEINS, zahlreiche kreative Freelancer-Kollegen kennen und schätzen gelernt. Und darunter waren bislang weder abgestumpfte Fließbandarbeiter noch unverstandene Künstler. Dafür umso mehr Designer. Menschen, die über ihre Arbeit sagen: Ich entwickle Ideen. Ich lasse Dinge entstehen, die für meine Kunden und deren Kunden von Nutzen sind. Kreiere eine Form dafür, die besonders ist. Die idealerweise Bestand hat. Und einen Wiedererkennungswert.
Viele haben dabei den Design-Begriff schon in ihrer Berufsbezeichnung: Graphikdesign, Webdesign, Modedesign … Und dann bin da ich als Texterin und denke: Das klingt super! Und genau nach dem, was auch ich mache. Denn mein Arbeitsgegenstand, das Medium in dem ich formen und gestalten kann, ist die Sprache. Texten bedeutet Sprachdesign.
Ich hatte mein Wort gefunden! :-)
Schließlich geht es beim Verfassen von Werbetexten um weit mehr als darum, die Kunden in verlockenden Worten und ohne Rechtschreibfehler zum Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung aufzufordern. Es geht darum, ein Auge für Sprache zu haben. Worte als Mittel einzusetzen, um Menschen von etwas zu überzeugen. Es geht darum, Formen zu finden, die für den Auftraggeber ebenso viel Identifikationsmöglichkeit bieten wie für dessen Kunden. Es geht darum, Emotionen zu wecken und doch möglichst immer auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben. Ein Image zu kreieren und den richtigen Ton zu treffen.
Die Wort-Bilder zeigen es bereits: Texten kann sehr viel mit Kreativität und künstlerischem Schaffen zu tun haben.
Wenn ich nun sage: Ich bin Sprachdesignerin – dann meine ich damit, ich wende Sprache so an, dass sie formschön und gebrauchsfähig ist.
Ich erschaffe damit vielleicht keine Kunst. Aber durchdachtes und durchaus anspruchsvolles Kunsthandwerk. Genau das ist es nämlich, was gute Designer täglich leisten. In allen Bereichen.
Ist das Kunst oder kann man das gebrauchen?
Design ist für uns heute allgegenwärtig. So sehr, dass wir es oft gar nicht mehr als Design wahrnehmen. Jeder Alltagsgegenstand hat eine Form und Gestaltung, die sich irgendjemand irgendwann einmal überlegt hat. Manchmal ist diese ganz dem praktischen Nutzwert untergeordnet, manchmal vorwiegend ästhetischen Aspekten. Manchmal erscheint die Form auch völlig abwegig und sinnfrei. Dann hört man gerne, das sei jetzt fast schon Kunst.
Offenbar wird künstlerisch-kreatives Schaffen gerne als etwas angesehen, was eher wenig alltagstauglich ist. Gebrauchsgegenstände (und dazu lassen sich auch alle Arten von werbenden Texten zählen) zu erschaffen erscheint dafür wiederum als unkreativ und eines Künstlers nicht würdig.
Zu einer Zeit, als der Begriff Design überhaupt erst geprägt wurde, zu Beginn des 20.Jahrhunderts, da vertraten Künstlerbewegungen wie die Wiener Werkstätte und das Bauhaus einen ganz anderen Kunstbegriff: Die ganz gewöhnlichen Dinge des Alltags sollten in ihrer Formsprache und wertigen Verarbeitung großer Kunst in nichts nach stehen. Gleichzeitig sollte ihre praktische Verwendbarkeit immer im Mittelpunkt bleiben und auch sofort erkennbar sein. Kreativität mit Gebrauchswert statt Kunst um ihrer selbst willen. Funktion mit Form statt liebloser Massenproduktion. Die Geburtsstunde des Designs sozusagen – und ein großartiger Denkansatz, aus dem sicherlich alle kreativen Dienstleister heutzutage und auch so mache ihrer Kunden immer noch viel lernen können.
Und was für die Gestaltung von Gebäuden, Innenräumen und Alltagsgegenständen Sinn ergibt, das kann für die sprachliche Gestaltung des Alltags schließlich nicht verkehrt sein …
In diesem Sinne: Schluß mit austauschbaren Worthülsen! Gönnt euren Texten ein Design – auch und gerade im Marketing!