Null gute Gründe, es sich beim
Content Marketing leicht zu machen
Content Marketing wird vielfach als eine Art Zauberformel angeführt, um Produkte und Dienstleistungen an die sich wandelnden Bedingungen im Netz angepasst positionieren zu können. Denn „Irgendwas mit Inhalt“ so scheint es, hat schließlich jeder zu bieten … Dass guter Content dabei jedoch nicht aus dem Nichts entsteht und allzu einfache Lösungen fast zwangsläufig wichtige Aspekte des Themas außer Acht lassen, war für mich der Anlass, nach der Lektüre zahlreicher Artikel und Diskussionsbeiträge, meine Gedanken zu der Frage: „Was gehört in ein wirklich gutes Content-Marketing-Konzept hinein?“ hier zu veröffentlichen.
In ersten Teil dieses Essay hatte ich an dieser Stelle zunächst versucht, dem Geheimnis hinter der vielbeschworenen Floskel „einzigartige Inhalte schaffen“ auf die Spur zu kommen – und dabei festgestellt:
Etwas Einmaliges zu schaffen ist vielleicht gar nicht so schwer – dabei einzigartig zu sein ist hingegen etwas ganz anderes und erfordert eine tiefergehende Auseinandersetzung mit der eigenen Geschäftsidee und deren Alleinstellungsmerkmalen …
Im heutigen zweiten Teil geht es nun um die spannende Frage: Was macht eigentlich echten Mehrwert aus, von dem Nutzer und Kunden auch längerfristig profitieren können?
Mehrwert, Werte, Wertigkeiten
Viele Begriffe (das merkt man im Texter-Beruf immer wieder) sind an und für sich wunderbar selbsterklärend, wenn man sich einmal die Mühe macht, sie in ihre Einzelteile zu zerlegen. Im Falle des immer wieder geforderten Mehrwertes im Content Marketing erscheint die Lage sogar besonders einfach: Wenn Anbieter auf ihren Seiten inhaltlich mehr präsentieren als die beworbenen Produkte oder Dienstleistungen, ergibt sich daraus ein zusätzlicher Wert für den Kunden, die Seiten zu nutzen.
Solche Extras (z.B. ein kleines Wiki mit fachspezifischen Begriffserklärungen auf der Seite einer Kommunikationsagentur oder ein Blogbereich mit kurzen Artikeln zu gängigen Krankheitsbildern auf den Seiten eines Pharmaherstellers) sind in der Regel auch noch kostenlos, was ihnen aus Kundensicht einen zusätzlichen Reiz verleiht. Dieser Anreiz ist aber nur scheinbar selbstlos, denn eigentlich geht es dem Anbieter natürlich sehr wohl darum, den Nutzer dauerhaft an sich und seine (käuflich zu erwerbenden) Produkte zu binden. Der Nutzer hat derweil den Eindruck, von dem gebotenen Mehr an Wert wirklich zu profitieren, bleibt gerne weiterhin Kunde (oder, noch besser, wird es) und alle sind zufrieden … Oder doch nicht?
Um es auf den Punkt zu bringen: Unter betriebswirtschaftlichen Aspekten wäre dem Begriff „Mehrwert schaffen“ mit dem oben geschilderten Vorgehen tatsächlich Genüge getan. Inhalte, deren Informationsgehalt für sich genommen über einen reinen Kaufanreiz hinausgeht, dürfen also verwendet werden, um ebendiesen Kaufanreiz letzten Endes doch wieder zu verstärken. Von der erst suggerierten uneigennützigen Wissensvermittlung kann dann aber keine Rede mehr sein. Möglicherweise muss das Wissen, der Mehrwert, sogar beschnitten werden, um die eigentliche Zielsetzung – eben doch die Produktwerbung – nicht zu gefährden. Was nun aber, wenn der Nutzer die schöne (Werbe)Strategie durchschaut und sich vielleicht sogar getäuscht fühlt? Anders gefragt: Wo bleibt bei einer solchen Mehrwert-Mogelpackung der Teil mit dem Wert?
Hier ließe sich, ganz banal, argumentieren, dass eine solche Frage für den Anbieter gar keine Rolle spielt, solange am Ende die Verkaufszahlen stimmen. Völlig richtig. Sofern der Anbieter ein großes Unternehmen ist, das seit langem erfolgreich einen großen Markt bedient, wobei Content Marketing nur einen kleinen Teil der Verkaufsstrategie ausmacht. Dann mögen solche minderwertgien Mehrwerte vielleicht verzeihlich sein, weil sie eben im großen Ganzen nicht weiter auffallen und der Vertrauensverlust einzelner Kunden die Bilanz nicht gefährdet.
Doch wir erinnern uns: Das Internet hat seine ganz eigene Dynamik. Und auch manch ein Großkonzern durfte sich bereits wundern, was alles passieren kann, wenn einzelne anfangen, angebotene Inhalte, z.B. in den sozialen Netzwerken, auseinanderzunehmen …
Für kleinere Anbieter kann die geballte Macht der Netzgemeinde jedoch schnell das wirtschaftliche Aus bedeuten. Da empfiehlt es sich, frühzeitig ein anderes, im besten Sinne zeitgemäßeres Verhältnis zu Nutzern und Kunden aufzubauen: Weg vom Bild des Kunden als bloßem Konsumenten, der durch ein hübsches Accessoire namens „Mehrwert“ beindruckt werden soll, noch mehr oder teurer zu konsumieren. Hin zu einer Begegnung auf Augenhöhe mit Menschen, die echtes Interesse an einem Produkt oder einer Dienstleistung entwickeln, weil sie die Wertigkeit erkennen, die tatsächlich darin steckt.
Der Wert der Nische
Hier kommt auch wieder die Sache mit den Alleinstellungsmerkmalen ins Spiel. Denn eines dürfte klar sein: Etwas, das es so oder so ähnlich an jeder Ecke gibt, wird auch dann nicht im Kern zu etwas Besonderem, wenn man es mit Deko-Artikeln nachträglich aufhübscht. Die Außenwirkung mag sich dadurch etwas verbessern, der eigentliche Wert kann aber nicht gesteigert werden. Etwas, das tatsächlich neuartig, anders, ungewöhnlich oder selten ist, braucht hingegen gar nicht allzu viel Deko, um zu wirken. Solche Produkte und Dienstleistungen stellen – zumindest für ihre möglicherweise recht spezielle Zielgruppe – aus sich heraus bereits einen Wert dar. Die Content-Strategie kann dann in erster Linie darauf abzielen, eine wertvolle Idee bekannter zu machen und muss sich nicht hinter vermeintlicher Objektivität verstecken. Nischenanbieter dürfen Stellung beziehen und ihre Ideen offensiv vertreten, weil die Erwartungshaltung der Nutzer eine andere ist als auf dem Massenmarkt.
Es erscheint daher nicht verwunderlich, dass sich gerade in Nischensegmenten ein besonders intensiver Austausch zwischen Anbietern und Nutzern / Kunden entwickelt. Das Verhältnis ist oft näher, persönlicher. Kaufentscheidungen werden seltener vorrangig am Preis festgemacht und beinhalten gerne auch den Wunsch nach einem „guten Gefühl“, das die Produkte – glaubhaft und überprüfbar, versteht sich – vermitteln sollen.
Zahlreiche Beispiele für innovative Kundenbeziehungen finden sich etwa in der Startup-Szene und bei Crowdfunding-Projekten.
Was die meisten Unternehmer und Initiativen in diesen Bereichen eint: Sie setzen weniger auf Masse denn auf Originalität und – der Mehrwert ihrer Produkte und Dienstleistungen wird von der anvisierten Zielgruppe in der Regel kaum je in Frage gestellt.
Haltung statt Profil
Ganz offensichtlich hat durchdachtes Content Marketing eine Menge mit Markenbildung zu tun. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob die Anbieter Designerschuhe vertreiben möchten, einen Fahrradverleih einrichten oder Beratungsleistungen für mittelständische Unternehmen anbieten – alles kann zur Marke werden.
Stimmige Inhalte, die den Nutzern und potentiellen Kunden im Umfeld immer wieder begegnen, tragen ganz wesentlich dazu bei, eine Marke sichtbar zu machen. Sie helfen, Images zu kreieren und Konzepten Leben einzuhauchen. Gerade für neue oder wenig etablierte Marken bietet Content Marketing daher eine Fülle von Möglichkeiten mit enormem Potential. Voraussetzung: Es gibt eine Idee, die hinter der Marke steht und ein klares Konzept, um diese Idee zu kommunizieren.
Häufig wird in diesem Zusammenhang von der Bedeutung gesprochen, das eigene Profil zu schärfen. Was darunter dann aber zumeist verstanden wird, hat nur noch wenig zu tun mit dem oben beschriebenen klaren Konzept, das seine Stärke aus einer einzigartigen Grundidee und der individuellen Kreativität der Anbieter bezieht.
Gerade kleinere und Einzelunternehmen wissen um den mitunter absurd hohen Aufwand an Zeit und Kraftreserven, der in die permanente geschäftliche Profilierung (analog zur allerorts beschworenen Selbstoptimierung des Einzelnen) gesteckt wird.
Denn Profil wird heute nicht selten gleichgesetzt mit Expertentum. Zur Untermauerung dienen dann einerseits die Präsentation des eigenen Fachwissens (die an sich noch keine Aussage darüber zulässt, was einen derartigen Experten von einem anderen mit vergleichbarem Wissensstand unterscheidet) und andererseits eine demonstrative Zurschaustellung möglichst namhafter Referenzen, die im Wettbewerb gelegentlich fast aggressive Züge annimmt. Persönliches Lieblingsbeispiel der Autorin: die Videoleinwand mit gefühlt 95 Beispielfilmen. Welchen davon soll man zuerst anklicken? Wer sich auf der Seite nur kurz einen Eindruck von dem Anbieter verschaffen wollte, der klickt nun … wahrscheinlich gar nichts. Was den Anbieter nicht weiter stören sollte, ging es doch nur darum, durch schieres Überangebot zu beeindrucken.
Merke: Wer mit Inhalten um sich wirft wie mit Bonbons auf dem Karnevalsumzug, betreibt ganz gewiss kein gutes Content Marketing und riskiert, trotz Expertise und nachweisbarer vergangener Erfolge, in der Gegenwart in Beliebigkeit unterzugehen.
Und Beliebigkeit ist das Ende jeder Markenidee, das Anti-Alleinstellungsmerkmal.
Im Versuch, das eigene Profil zu schärfen, werden so in Wahrheit Ecken abgeschliffen und Kanten geglättet, wird Eigenständigkeit zugunsten von Normentsprechung aufgegeben.
Um dem erfolgreich entgegentreten zu können, brauchen Anbieter den Mut, eben diese überall lauernden Profilierungsfallen bewusst zu umgehen. „Mut zur Abgrenzung statt Zwang zur Anpassung!“ sollte hier die Devise lauten. Oder auch: „Eine Haltung zu haben ist besser, als ein Profil zu bilden!“
Denn eine neue Idee wurde selbstverständlich noch nicht von jedem begutachtet und bewundert. Sonst wäre sie nicht mehr neu.
Eine einzigartige Idee gefällt nicht jedem und schon gar nicht auf Anhieb. Sonst wäre sie nichts Besonderes mehr.
Eine gute Idee verpflichtet. Sie will gepflegt und verteidigt werden.
Das ist gewiss nicht einfach und der Anpassungsdruck ist groß. Aber wer dem standhält und den eigenen Ideen Raum lässt, um sich zu entwickeln (auch in Interaktion mit der angesprochenen Zielgruppe) könnte belohnt werden: mit Glaubwürdigkeit in der Wahrnehmung der Nutzer, treuen Kunden und einer Marke, die funktioniert, weil sie im Gegensatz zu vielen anderen über echten Mehrwert verfügt. Dank einer einzigartigen Idee, die wachsen durfte.
Wem es gelingt, Inhalte zu kreieren, die eine solche Idee beflügeln, der hat gewonnen. Nicht nur im Content Marketing.
Dieser Artikel erschien zuerst im April 2015 auf meiner Facebook-Seite.